
Du leidest unter chronischen unteren Rückenschmerzen und fragst dich, ob Laufen für dich geeignet ist? Viele Menschen mit Rückenbeschwerden meiden das Joggen aus Angst, ihre Symptome zu verschlimmern. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie zeigt jedoch: Laufen kann nicht nur sicher sein, sondern sogar helfen. In diesem Beitrag erfährst du, was die ASTEROID-Studie über Lauftraining bei chronischen Rückenschmerzen herausgefunden hat und wie du davon profitieren kannst.
Chronische untere Rückenschmerzen betreffen Millionen Menschen weltweit. Als chronisch gelten Schmerzen, die mindestens 12 Wochen andauern. Die Konsequenzen sind gravierend: Betroffene bewegen sich weniger, ihre aerobe Fitness nimmt ab und die Lebensqualität sinkt deutlich. Auch in Dortmund und Umgebung sehen wir in der Physiotherapie täglich, wie sehr chronische Rückenschmerzen den Alltag einschränken können.
Trainingstherapie und körperliche Aktivität sind laut Leitlinien die empfohlene Behandlung. Besonders aerobes Ausdauertraining kann Schmerzintensität reduzieren, physische Einschränkungen verringern und die mentale Gesundheit verbessern. Doch hier liegt das Problem: Viele häufig eingesetzte Interventionen wie Walking haben oft nicht die nötige Intensität, um optimale klinische Effekte zu erzielen.
Studien zeigen, dass hochintensives Training – also mit mindestens 85% der maximalen Sauerstoffaufnahme oder Herzfrequenzreserve – zu größeren Verbesserungen führt als moderates Training. Allerdings wurde diese hochintensive Therapie bisher fast ausschließlich auf dem Fahrradergometer durchgeführt.
Warum? Laufen wurde lange als unsicher oder sogar gefährlich für Menschen mit Rückenschmerzen angesehen. Doch diese Annahme könnte falsch sein: Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass Läufer niedrigere Raten an Rückenschmerzen und eine gesündere Wirbelsäule haben als Nicht-Läufer. Zudem ist Laufen eine kostengünstige, leicht zugängliche und sehr populäre Form des Ausdauertrainings.
Die ASTEROID-Studie ("Running is acceptable and efficacious in adults with non-specific chronic low back pain") von Neason et al. aus 2024 untersuchte erstmals systematisch, ob ein strukturiertes Laufprogramm bei chronischen unteren Rückenschmerzen sicher und wirksam ist. An der randomisierten kontrollierten Studie nahmen 40 Erwachsene (18-45 Jahre) mit nicht-spezifischen chronischen Rückenschmerzen teil, die seit mindestens 3 Monaten bestanden.
Ausgeschlossen wurden Personen mit spezifischen Rückenschmerzen (wie Bandscheibenvorfällen mit Nervenwurzelkompression), nach Wirbelsäulenoperationen, Schwangere und Elitesportler. Wichtig war auch, dass die Teilnehmer in den letzten 6 Wochen keine Verletzungen der unteren Extremitäten hatten und grundsätzlich fit genug für sportliche Aktivität waren.
Das Laufprogramm erstreckte sich über 12 Wochen mit insgesamt 36 Trainingseinheiten – also 3 Sitzungen pro Woche zu je 30 Minuten. Das Besondere: Das Programm war hochgradig individualisiert und progressiv aufgebaut.
Die Teilnehmer starteten je nach Fitnesslevel in einer von drei Stufen, ermittelt durch einen 2-Minuten-Lauftest. Die niedrigste Stufe begann mit nur 15 Sekunden Laufintervallen, gefolgt von 2-minütigen Gehpausen. Die höchste Einstiegsstufe startete mit 45-Sekunden-Intervallen. Zwischen den Laufintervallen gab es immer Gehpausen zur Erholung.
Das System sah 13 progressive Stufen vor. Ein Aufstieg zur nächsten Stufe (maximal eine Stufe pro Woche) erfolgte, wenn Teilnehmer mindestens 10 Wiederholungen in einer Sitzung absolvierten und zwei Sitzungen pro Woche abschlossen. Bei erhöhten Schmerzen, Verletzungen oder Schwierigkeiten konnten Teilnehmer auf ihrer aktuellen Stufe bleiben oder eine Stufe zurückgehen.
Die Zielintensität lag bei 7-8 km/h Laufgeschwindigkeit, was Zonen mit hoher Intensität entspricht (≥85% der VO2max oder Herzfrequenzreserve). Die Teilnehmer wurden durch wöchentliche bis zweiwöchentliche 10-15-minütige Zoom-Beratungen unterstützt und nutzten die Runkeeper-App zur Dokumentation ihrer Trainingseinheiten.
Nach 12 Wochen zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen der Laufgruppe und der Wartelisten-Kontrollgruppe. Bei der aktuellen Schmerzintensität (gemessen auf einer 100-Punkte-Skala) verbesserte sich die Laufgruppe um etwa 16,5 Punkte, während die Kontrollgruppe sich um 2,8 Punkte verschlechterte. Der Unterschied war statistisch signifikant (p=0,003).
Auch die durchschnittliche Schmerzintensität und die schlimmsten Schmerzen reduzierten sich in der Laufgruppe deutlich stärker als in der Kontrollgruppe. Ebenso verbesserten sich die funktionellen Einschränkungen, gemessen mit dem Oswestry Disability Index.
Die Adhärenz war mit durchschnittlich 70,4% bemerkenswert hoch – das entspricht etwa 2,1 von 3 geplanten Trainingseinheiten pro Woche. Die Teilnehmer liefen im Schnitt 9,5 km/h schnell und legten etwa 2 km pro Sitzung zurück. Die Runkeeper-App wurde sehr gut angenommen (94,5 von 100 Punkten Benutzerfreundlichkeit).
Ein wichtiger Aspekt der Studie war die Sicherheitsbewertung. Es traten insgesamt 9 unerwünschte Ereignisse auf: 7 Verletzungen der unteren Extremität (78%), 1 Synkope (11%) und 1 Fall von erhöhten Rückenschmerzen (11%).
Wichtig ist: Diese Nebenwirkungsrate liegt im normalen Rahmen für Laufanfänger ohne Rückenschmerzen. Bis auf einen Fall setzten alle Betroffenen das Training nach einer Woche Pause wieder fort. Im Durchschnitt wurden nur 2 Trainingseinheiten pro unerwünschtem Ereignis ausgelassen (Spannweite: 1-3 Sitzungen). Es kam zu keiner übermäßigen Verschlechterung der Rückenschmerzen durch das Lauftraining. Es gab keinen einzigen Drop-out – alle Teilnehmer blieben bis zum Studienende dabei.
Diese Erkenntnisse sind auch für die physiotherapeutische Praxis in Dortmund und Umgebung hochrelevant. Die Studie zeigt, dass Laufen entgegen vieler Vorbehalte sicher bei chronischen unteren Rückenschmerzen eingesetzt werden kann. Es muss nicht immer das Fahrradergometer sein – Laufen bietet eine kosteneffektive, alltagstaugliche Alternative.
Allerdings: Die Verbesserungen erreichten nicht die vorher festgelegten Schwellenwerte für eine klinisch signifikante Verbesserung (20 Punkte auf der Schmerzskala bzw. 10 Punkte beim Oswestry Index). Das bedeutet, Laufen sollte nicht als alleinige Therapie betrachtet werden, sondern als wertvolle Ergänzung zu einem multimodalen Behandlungsansatz.
In der Physiotherapie kombinieren wir Lauftraining idealerweise mit: gezielten Kräftigungsübungen für die Rumpfmuskulatur, Beweglichkeitstraining, manueller Therapie bei Bedarf und Edukation zu Schmerzmechanismen und Selbstmanagement. So entsteht ein ganzheitliches Therapiekonzept, das die Vorteile verschiedener Interventionen nutzt.
Die ASTEROID-Studie liefert wichtige Erkenntnisse: Laufen ist bei nicht-spezifischen chronischen unteren Rückenschmerzen sicher und kann Schmerzen sowie funktionelle Einschränkungen reduzieren. Die Angst vor Laufen bei Rückenschmerzen ist in vielen Fällen unbegründet.
Ein strukturiertes, progressives Laufprogramm mit individueller Anpassung kann Teil eines erfolgreichen Therapiekonzepts sein. Die hohe Adhärenz und Akzeptanz zeigen, dass Patienten diese Form des Trainings gut annehmen. Die Nebenwirkungsrate ist akzeptabel und entspricht der von gesunden Laufanfängern.
Wichtig ist jedoch: Laufen sollte nicht isoliert, sondern als Teil eines umfassenden physiotherapeutischen Behandlungsplans eingesetzt werden. Eine professionelle Anleitung, wie sie in der Physiotherapie üblich ist, hilft dabei, das Programm individuell anzupassen und bei Problemen entsprechend zu reagieren.
Wenn du unter chronischen Rückenschmerzen leidest und wissen möchtest, ob ein Laufprogramm für dich geeignet ist, sprich mit deinem Physiotherapeuten. Gemeinsam könnt ihr einen individuellen Trainingsplan entwickeln, der zu deinem Fitnesslevel und deinen Beschwerden passt.